Wie mit Kindern über Krieg sprechen?

Der Krieg gegen die Ukraine - in Europa - erschüttert uns tief. Auch Kinder nehmen solche Ereignisse durch Gespräche und Medienberichterstattung wahr. Doreen Schiller, Diplom-Psychologin und Kindertherapeutin, gibt Hinweise, wie wir Kinder beim Umgang damit unterstützen können.

Erzieherin im Gespräch mit einem Kind im FRÖBEL-Kindergarten (Foto: FRÖBEL e.V./Bettina Straub)

Am Donnerstag, 24. Februar 2022 marschierten russische Streitkräfte in die Ukraine ein. Schon die Androhung war in den Medien sehr präsent, seit dem Einmarsch dominiert der Angriffskrieg mitten in Europa die Nachrichten. Vielfalt, Demokratie und Freiheit sind in Gefahr. Umso entschiedener müssen wir in unseren Bildungsinstitutionen und dem gesamten gesellschaftlichen Leben für diese Werte eintreten, unsere Kinder stark machen gegen Hass und Hetze und Gewaltfreiheit leben und vorleben. Unsere Gedanken, unser Mitgefühl und unsere Solidarität sind bei den Angehörigen und Freundinnen und Freunden der Menschen in der Ukraine.

Ereignisse wie dieses lösen bei den meisten Menschen ein Gefühl von Angst und Ohnmacht aus. Wir suchen nach Erklärungen, nach Auswegen und nach Sicherheit. Auch Kinder nehmen die Ereignisse wahr - sei es durch die Medienberichterstattung oder durch Gespräche unter tief erschütterten und hilflosen Erwachsenen. Im Jahr 2015, unmittelbar nach dem Anschlag auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion in Paris, haben wir Doreen Schiller, Diplom-Psychologin und Kindertherapeutin bei der FRÖBEL-Familienberatung CLARA, gefragt, wie Eltern und pädagogische Fachkräfte Kinder im Umgang mit schwerwiegenden Ereignissen unterstützen können - wir veröffentlichen das Gespräch in überarbeiteter Form aus aktuellem Anlass erneut: 

Frau Schiller, sollten Erwachsene mit Kindern über Krieg und Gewalt sprechen?

Wenn Kinder von einem solchen Ereignis erfahren oder Krieg und Gewalt in Bildern miterleben und sich damit alleingelassen fühlen, kann das tiefe Spuren hinterlassen. Ob man mit Kindern daüber sprechen sollte, hängt vom Alter bzw. individuellen Entwicklungsstand ab und davon, ob und was sie bereits davon mitbekommen haben. Mit sehr kleinen Kindern unter 3 Jahren sollte man im Allgemeinen nicht über das Geschehene sprechen. Bei Kindern etwa ab 4 oder 5 Jahren sollte man die Äußerungen der Kinder aufgreifen und individuell oder, beispielsweise im Kindergarten, in kleineren Gruppen bearbeiten.

Wieviel Information kann man Kindern zumuten?

Erwachsene sollten die Informationen, die die Kinder bereits haben, bestätigen und Fragen kindgerecht beantworten, jedoch nicht initiativ weitere Informationen hinzufügen. Kinder im Vorschulalter sollten diese Informationen möglichst von ihnen vertrauten Erwachsenen erhalten und nicht aus der Berichterstattung der Medien, da sie die vielen Informationen und Bilder nicht richtig einordnen können. Dies könnte Unsicherheit und Ängste vergrößern. Bei Schulkindern muss man davon ausgehen, dass sie von Ereignissen über die Nachrichten oder ihre Mitschüler*innen erfahren. Deshalb sollte ein Ereignis mit ihnen von Seiten der Erwachsenen direkt und sehr zeitnah aufgegriffen werden. Mit ihnen kann man sachlich darüber reden und alle damit verbunden Gefühle ernst nehmen.

Auf welche Weise können Erwachsene, ob Eltern oder pädagogische Fachkräfte, mit Kindern darüber sprechen? 

Kinder brauchen kindgerechte Erklärungen und das Gefühl, dass wir auch über solche Ereignisse mit ihnen sprechen. Wichtig sind kurze Botschaften mit klaren Worten, die zusätzliche Dramatisierungen vermeiden. Wenn Kinder Fragen äußern, sollten Erwachsene einfühlsam und Hoffnung gebend antworten. Am wichtigsten ist es, den Kindern Sicherheit und Zuversicht zu vermitteln. Alle Unsicherheiten auf unserer Seite übertragen sich potenziert auf die Kinder, weil ihnen Erfahrung und Weitsicht fehlen, aber auch die Fähigkeit, solche Geschehnisse in Zusammenhängen zu denken.

Wie kann man ehrlich sein, ohne Ängste zu verstärken?

Auf die Frage, ob ein solcher Krieg auch bei uns stattfinden können, sollte man Mut gebend antworten: „Das glaube ich nicht, das ist bei uns ganz unwahrscheinlich.“ Und gleichzeitig die Dinge aufzählen, die uns Sicherheit geben, zum Beispiel die  Politikerinnen und Politiker oder die Bundeswehr. Die Kinder müssen erfahren, dass die verletzten Menschen nicht allein sind, sondern dass ihnen schnell geholfen wird, zum Beispiel in Krankenhäusern, wo sich Ärztinnen und Ärzte um sie kümmern. Und dass die anderen Länder alles dafür tun, dass die Menschen, die das getan haben, bestraft werden. Alle Kinder brauchen Erwachsene, die in solchen Situationen Ruhe bewahren, Sicherheit ausstrahlen und einen Ausweg wissen.

Wie kann man erkennen, ob ein Kind ein solches Ereignis gut verarbeitet – oder womöglich Unterstützung benötigt?

Manchmal beschäftigt ein solches Thema ein Kind weiterhin. Daher sollten Eltern und pädagogische Fachkräfte aufmerksam beobachten, wie die Kinder auch Tage später auf das Geschehene und unsere Erklärungen reagieren. Indikatoren können Spiele, Träume oder gemeinsame Gespräche sein, in denen die Kinder das Ereignis auf kindgerechte Art verarbeiten. Wenn Kinder trotz unserer Erklärungen und unserer Achtsamkeit nicht zur Ruhe kommen, sollten Eltern das vertrauensvolle Gespräch mit Erzieherinnen und Erziehern suchen und sich Unterstützung, zum Beispiel in Erziehungs- und Familienberatungsstellen vor Ort, suchen.

Kinder mit Tablet in einem FRÖBEL-Kindergarten

Medientipps

Kindgerechte Nachrichten und Tipps für Kinder zum Umgang damit bietet das ZDF mit dem Format logo!
www.zdf.de/kinder/logo 

Die Initiative SCHAU HIN! unterstützt Familien bei der Medienerziehung - hier ein aktueller Beitrag zum Krieg in der Ukraine:
www.schau-hin.info/news/krieg-in-der-ukraine-kinder-mit-nachrichten-nicht-allein-lassen 

Hier finden Familien Unterstützung

Telefonberatung NummergegenKummer für Eltern: 
www.nummergegenkummer.de/elternberatung/elterntelefon 

Telefonberatung NummergegenKummer für Kinder und Jugendliche: 
www.nummergegenkummer.de/kinder-und-jugendberatung/kinder-und-jugendtelefon

Online- und Vor-Ort-Beratung der bundesweiten Erziehungs- und Familienberatungsstellen:
www.bke.de 

Beratungsstellen des Deutschen Kinderschutzbundes (vor Ort):
www.dksb.de/de/dksb-vor-ort